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Dagobert Trostler, Detektiv aus Passion – Band 2

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Detektivgeschichten aus Österreich am Beginn des 20. Jahrhunderts

Kategorie: .
Beschreibung

Wer an Detektivgeschichten aus der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende denkt, dem fällt natürlich als erstes Sherlock Holmes ein, dessen literarische Übergestalt aus heutiger Sicht alle anderen Ermittler (und Ermittlerinnen, die es tatsächlich auch gab) in der Kriminalliteratur dieser Zeit in den Schatten stellt. Dabei gab es – nicht nur im UK, aber dort besonders – einige „Rivalen des Sherlock Holmes“ (um einmal den Titel einer seinerzeit bekannten Anthologie von Sir Hugh Greene aus den frühen Siebzigerjahren zu zitieren), die durchaus mit dem Meister mithalten konnten, aber heute kaum noch bekannt sind – oft sehr zu Unrecht. Neben britischen Detektiven sind v.a. noch einige französische und amerikanische zu erwähnen.

Daneben gibt es aber auch einen zeitgenössischen österreichischen Beitrag zum Genre der Detektiverzählungen, nämlich „Detektiv Dagoberts Abenteuer“ von einem gewissen „Balduin Groller“, die 1910–12 in Leipzig bei Philipp Reclam, jr. in sechs schmalen Bänden erschienen sind. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich der Journalist, Feuilletonist, Zeitungsherausgeber, Schriftsteller und Sportfunktionär Adalbert Goldscheider, der 1848 in Arad, heute zu Rumänien, damals aber zum ungarischen Teil der Donaumonarchie gehörend, geboren wurde und 1916 in Wien verstorben ist.

Detektiv Dagobert heißt im bürgerlichen Leben Dagobert Trostler und ist ein Wiener Lebemann mittleren Alters, der durchaus komfortabel von den Erträgen seines stattlichen Vermögens leben kann (nach der damaligen Ausdrucksweise ist er also „Rentier“) und die Aufklärung von Kriminal- und anderen Fällen als Hobby („aus Passion“) betreibt. Darin unterscheidet er sich nicht von vielen seiner ausländischen Kollegen; was aber den Unterschied ausmacht, ist die Art und Weise, wie die Geschichten erzählt werden. Während beispielsweise ein Sherlock-Holmes-Abenteuer in der Regel von Dr. Watson in chronologischer Reihenfolge berichtet wird, werden die Erlebnisse von Detektiv Dagobert in vielen der 17 Erzählungen als Teil einer Unterhaltung (in der Regel im Hause eines befreundeten Industriellen und seiner Gemahlin, einer ehemaligen Schauspielerin) von ihm selbst erzählt. Dabei herrscht ein liebenswert charmanter Plauderton vor, hinter dessen scheinbarer Leichtigkeit die anstrengenden Aspekte der Detektiv-Arbeit fast verschwinden. So erfahren wir beispielsweise mehr oder weniger nebenbei, dass Detektiv Dagobert zur Aufklärung einer Unterschlagung an einer Bank in die U.S.A. gereist ist, in damaliger Zeit sicher kein Wochenendtrip. Nicht alle Erlebnisse werden in dieser Form erzählt, aber der charmante Unterton herrscht in allen vor und macht sie auch heute noch zu einem ausgesprochenen Lesevergnügen: Dass ihr Autor „schreiben konnte“, muss angesichts der genannten Tätigkeiten kaum betont werden. Sir Hugh Greene meint im Vorwort einer seiner Anthologien mit den „Rivalen des Sherlock Holmes“, dass aus allen Geschichten der Charme der untergehenden Donaumonarchie spricht.

Nicht alle Fälle Dagoberts sind Kriminalfälle. Da sich die Vorkommnisse aber fast ausschließlich in „hohen, höchsten und sogar allerhöchsten Kreisen“, sei es der Wirtschaft, sei es des Adels, ereignen, steckt in allen das Potential für einen handfesten Skandal mit ernsten negativen Folgen für Beteiligte und Unbeteiligte. Manchmal ist daher die Aufklärung eines Falles ein geringeres Problem als die unauffällige Bestrafung oder Entfernung der Täterin oder des Täters, gleich, ob die Polizei involviert ist (was die Angelegenheit eher noch komplizierter macht) oder nicht. Aber auch in dieser Beziehung ist Detektiv Dagobert allen Herausforderungen gewachsen, äußerste Diskretion ist eines seiner Geschäftsprinzipien.

Die Geschichten spielen zwar zu Anfang des 20. Jh., sie bilden aber trotzdem eine höchst unterhaltsame Ergänzung zu Adel verpflichtet, dem Quellenband zur kuk Monarchie, denn „moderne“ Erfindungen wie Telefon und Auto kommen relativ selten vor. In der Regel kommuniziert man immer noch per Brief oder Telegramm und fährt – jedenfalls in Dagoberts Kreisen – mit der Kutsche. Und somit bilden Dagoberts Abenteuer eine wunderbar lesbare Inspirationsquelle für eigene Abenteuer in der Donaumonarchie. Dabei ist freilich selbst im Erfolgsfall die Aussicht auf Ruhm für die Abenteurer recht gering, weil ja alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden muss, was ein wenig dadurch kompensiert wird, dass sie dadurch Verbindungen bis in höchste Kreise aufbauen können. Kommt es hingegen wie auch immer zu einem Skandal, steigt ihr Ruch schlagartig ins Unermessliche.

Bei allem Charme der Geschichten und des Protagonisten darf nicht übersehen werden, dass der „Detektiv aus Passion“, der übrigens – wie wir in den späteren Erzählungen erfahren – seine Erfahrungen und Kenntnisse der Polizistenausbildung zugute kommen lässt, letztlich aber ebenso konsequent und unerbittlich ist wie seine ausländischen Kollegen: Wem er einmal auf der Spur ist, den bekommt er auch!

Unsere PDF-Ausgabe enthält den Text der Originalausgabe von 1910-1912 in der damaligen Rechtschreibung (die weitgehend der „alten Rechtschreibung“ entspricht), mit Kommentaren des Herausgebers Bernd Lehnhoff, in denen heute nicht mehr gebräuchliche Fremdwörter, Persönlichkeiten der Zeit und Anderes kurz erklärt werden.

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