Hjalmar R. Holand

Hjalmar R. Holand

“Die Wikinger haben schon 1392 die USA besiedelt. Und ich kann es beweisen!”

(Hjalmar R. Holand)

 

Archäologe

Hjalmar R. Holand (das “R.” steht für “Ragnarsson”) wurde 1844 in Milwaukee, Wisconsin als Sohn isländischer Einwanderer der dritten Generation geboren. Schon in früher Kindheit erweckten die Erzählungen seines Großvaters sein Interesse an den alten Mythen und Sagen seiner isländischen Vorfahren, insbesondere der Wikinger. So überraschte es nicht, dass er an der University of Wisconsin in Milwaukee Geschichte und Philologie studierte und sich auf Nordeuropa sowie die germanischen Sprachen spezialisierte. Ein Stipendium (nicht schwer zu erhalten, da in den USA der von ihm belegte Sudiengang kaum ausgebildet war und eigentlich nur in Milwaukee angeboten wurde) ermöglichte ihm einen zweijährigen Aufenthalt in Island und Norwegen. Er erhielt das Stipendium, da er nachweisen konnte, neue Erkenntnisse der Reisen der Wikinger nach Amerika, damalsVínland genannt, gewinnen zu können. Aus diesem Grund gelang es ihm auch, von der Universität Rejkjavik einen Forschungsaufenthalt genehmigt zu bekommen, da es im Interesse der Nordeuropäer war, die Vorstellungen, Columbus sei der erste Europäer in Amerika gewesen, zu unterlaufen.

Hjalmar befasste sich in Europa eingehend mit den einschlägigen Sagas (insbesondere derGrænlendinga Saga und Eiríks Saga), doch die erhoffte neue Erkenntnis blieb aus. Zwar veröffentlichte er eine Schrift, die Vínland ins nördliche Amerika, nördlich des Hudson Rivers, verlegte, doch konnte sich diese Ansicht ebenso wenig wirklich durchsetzen wie diverse andere, die zu diesem Zeitpunkt kursierten. Allerdings flossen die Forschungsgelder sowohl aus Milwaukee als auch aus Rejkjavik weiter. In die USA zurückgekehrt, verlegte er sich auf den Nachweis von Zeugnissen der Anwesenheit der Wikinger, zuerst an der Küste, dann später auf dem Festland. Der Turm von Newport (auf Rhode Island), der seit etwa 200 Jahren in Manuskripten belegt war, bot sich zwar an, doch konnte Hjalmar, genauso wenig wie andere Forscher vor ihm, das genaue Alter sowie die Abkunft des Turms bestimmen. Da sich keine weiteren Anknüpfungspunkte für seine Thesen anboten, schien seine Forschung in eine Sackgasse geraten zu sein.

Dann aber kam ihm die Idee: Er wusste ja ausreichend über die Ereignisse um das Jahr 1000, die in den Sagas beschrieben wurden, Bescheid, und Phantasie hatte er im Übermaß. Warum also nicht einen authentischen Beleg erstellen, der so aussah, als wäre er echt? Im Prinzip war er das ja auch, denn Hjalmar würde nur das, was er ohnehin wusste, in eine auch dem Rest der Fachwelt mundende Form umsetzen. Also vertiefte er sich nochmals in seine Quellen sowie die ihm zur Verfügung stehenden Texte über altnordische Runen. Am Ende seiner Forschungen stand ein anderthalb Meter hoher, oben abgerundeter Stein, den er nach gründlichem Studium der bekannten Funde möglichst genau an einen der in Island gefundenen Runensteine anlehnte. Nachdem er sich eine plausible Geschichte der weiteren Besiedlung Nordamerikas durch die Wikinger ausgedacht hatte, ritzte er schließlich in wochenlanger Arbeit eine umlaufende Runenschriftreihe entlang der Ränder des Steins:

“Acht Schweden und zweiundzwanzig Norweger auf Erkundungsfahrt von Vínland aus nach Westen. Wir lagerten bei zwei Felseninseln eine Tagesreise nördlich dieses Steins. Eines Tages fuhren wir auf Fischfang. Als wir zurückkehrten, fanden wir zehn Männer rot mit Blut und tot. A V M beschütze uns vor dem Bösen. Wir haben zehn Männer am Meer, um nach unseren Schiffen zu sehen, die zwei Wochen von dieser Insel entfernt sind. Jahr 1392.” 

Die Runen hatte Hjalmar sorgfältig durchdacht: Zwar glichen sie im großen und ganzen den bekannten Futhork-Runen der Wikinger, doch hatte er auch einige Veränderungen einarbeitet, die sich im Lauf von vier Jahrhunderten zwangsweise ergeben mußten. Durch das “A V M” (= “Ave Virgo Maria”) bezog er auch gleich die Tatsache ein, dass die Vínland-Siedler vermutlich bereits christianisiert aus Grönland kamen. Der Eintrag bezüglich der Jahreszahl war natürlich der wichtigste, “bewies” er doch, dass die Wikinger im Jahr 1392 noch auf dem amerikanischen Festland waren. Nachdem die Runen fertiggestellt waren, benutzte Hjalmar seine rudimentären chemischen Kenntnisse, um den Stein künstlich zu altern, damit man ihm das angegebene Jahr auch abnehmen würde. Als auch dies erfolgreich geschehen war, überlegte er sich, wo genau denn der Stein gefunden werden sollte. Nach reiflicher Überlegung entschied er sich schließlich für Kensington, Minnesota: Der Ort war weit genug von der Küste entfernt, um von beachtlichen Aktivitäten der Wikinger zu künden, aber nicht zu weit, um unglaubwürdig zu wirken. Und so transportierte Hjalmar den Stein im Herbst des Jahres 1877 heimlich in die Nähe von Kensington und vergrub ihn.

Im Frühjahr des Jahres 1878 sorgte Hjalmar schließlich dafür, dass der Stein “gefunden” wurde. Er tat dies nicht selbst, sondern streute geschickt Gerüchte über Gold und Schätze aus, die einige Schatzsucher auf den Plan riefen. Einer von diesen fand schließlich den Stein und informierte die Stadtverwaltung, wohl in der Hoffnung, dafür Geld zu erhalten. Der Stein war voller sonderbarer Runen, und da Hjalmar im Mittleren Westen der USA dieAutorität für Runen war, wurde er schon bald an den Fundort gebeten. Hjalmar ließ sich Zeit mit der “Untersuchung” und präsentierte nach zwei Monaten schließlich die obige “Übersetzung”. Direkt danach gab er den Stein für die Untersuchung anderer Kollegen frei, war dabei allerdings tunlichst darauf bedacht, niemanden aus Europa einzuladen, da er befürchtete, dass Wissenschaftler von dort ihn durchschauen könnten.

Der Stein war die erwartete Sensation: Nachdem Hjalmar ihn für echt erklärt hatte, schlossen sich sämtliche Archäologen und Historiker der USA, die sich den Stein ansahen, dieser Ansicht an. Hjalmars Ruhm stieg ins Unermessliche, und die Erlöse aus Veröffentlichungen und Vorträgen ließen ihn zu einem wohlhabenden Mann werden. In ganz Amerika war er als Redner gern gesehen. Sein Buch über den “Kensington-Stein” (The Kensington Stone, Wisconsin 1878) wurde rasch ein Bestseller nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der nicht-wissenschaftlichen Bevölkerung und legte den Grundstein für eine ganze Reihe von (spekulativen) Werken und gar Romanen zur Besiedlung Amerikas durch die Wikinger. Hjalmar genoss den um ihn betriebenen Rummel und veröffentlichte ab und an ergänzende Werke, die den von ihm begründeten Mythos weiter vertieften und ausbauten.

Im Frühjahr 1879 kündigten sich die ersten Wissenschaftler aus Island und Norwegen an, gefolgt von Gelehrten aus England und Deutschland. Obwohl Hjalmar anfänglich Besorgnis verspürte, gelang es ihm doch, alle Bedenken zu zerstreuen, Bedenken, die sich hauptsächlich gegen die verwendeten Runen richteten. Da es ihm nun auch gelungen war, die in Wikinger-Angelegenheiten weitaus erfahreneren Europäer zu täuschen, wähnte Hjalmar sich am Ziel seiner Wünsche. Leider hatte er die Rechnung ohne den sehr gründlichen deutschen Philologen Erik Moltke gemacht, der im Herbst 1879 nach Milwaukee kam und sich dem folgenden Winter über eingehend mit dem Kensington-Stein befaßte. Moltke, eine Autorität auf dem Gebiet der altgermanischen Runen, gelang es schließlich, aufgrund der Spuren der von Hjalmar benutzten Werkzeuge im Vergleich zu denen, die den Wikingern wohl zur Verfügung gestanden hatten, ihm eine Fälschung anzudichten, die zu diesem Zeitpunkt zwar nicht zu beweisen war, aber dennoch stark am strahlenden Stern des amerikanischen Wissenschaftlers zehrte. Die vernichtenden Worte Moltkes in Studia scandinavistica vom Frühjahr 1880 leiteten den Anfang vom Ende des Ruhms des Hjalmar R. Holand ein:

“Niemals zuvor stand ein trüglicher ‘Beweis’ auf so tönernden Füßen und verriet sich selbst so eindeutig. Dass er sich überhaupt so lange hat halten können, liegt einzig daran, dass er sich geschickt jeder Art von wahrer wissenschaftlicher Untersuchung entziehen konnte.” 

Während Hjalmar und Moltke sich in den Fachpublikationen noch erbitterte Diskussionen lieferten, schalteten sich von dem emsigen Deutschen beauftragte Chemiker in den Streit ein. Ihnen gelang es im Sommer 1880 innerhalb weniger Wochen, den künstlichen Alterungsprozeß des Steins nachzuweisen und Hjalmar tatsächlich als Schwindler zu entlarven. Während Moltke und seine Gefolgsleute, in erster Linie der Norweger Johannes Brønsted, genüßlich und sehr effektiv seine Fälschung öffentlich zerlegten, machte sich Hjalmar hastig auf den Weg nach England, kurz bevor ihm Stellung, Gehalt und Privilegien der Universität Milwaukee entzogen wurden. Den Großteil seiner Geldes konnte er mit sich nehmen, doch seine wissenschaftliche Karriere auf dem Gebiet der Altnordistik war, aller seiner profunden Kenntnise zum Trotz, am Ende. Es gelang ihm gerade noch, sein zweites Buch, Westward from Vinland, bei einem New Yorker Verleger unterzubringen, bevor er das Schiff nach England bestieg.

Seit Herbst 1880 befindet sich Hjalmar in England und ist auf der Suche nach neuen Stoßrichtungen, in die er seine Interessen und immer noch beträchtlichen Geldmittel lenken kann – Ägypten sieht da ganz gut aus… Zwar hat Hjalmar nicht die geringste Ahnung von Ägyptologie, doch ist er wohlhabend und auch charismatisch genug, um sich an einer Ausgrabungsstätte (oder an jedem anderen Ort, solange er nicht gerade in Nordeuropa oder dem Mittleren Westen der USA liegt) gut darstellen und die besten Hilfskräfte einstellen zu können. Da sich seine Veröffentlichungen trotz (oder gerade wegen?) des akademischen Banns in halbwissenschaftlichen Kreisen ungebrochener Beliebtheit erfreuen (der Kensington-Stein war bereits Thema dreier auf dem amerikanischen Buchmarkt erschienener Romanzen), ist ihm ein ständiges Einkommen geblieben, das ihm von seinen diversen Verlegern quartalsweise zugeschickt wird. Aufgrund dieses Systems der Geldbeschaffung kann es durchaus möglich sein, dass Hjalmar nicht in jeder Situation über ausreichende Geldmittel verfügt. Sollten vor Ort Ausgaben notwendig werden, deren Wert 1.000 US-Dollar überschreitet, wird er mit etwas kleinlichem Gesichtsausdruck davon Abstand nehmen und seinen “unzuverlässigen Verleger” beschimpfen, der wieder einmal nicht in der Lage gewesen war, ihm sein hart erarbeitetes Geld rechtzeitig zukommen zu lassen.

Hjalmar ist derzeit bemüht, sich in Europa eine neue Heimat und einen neuen Ruf als wohltätiger Mäzen der Wissenschaften aufzubauen. Dies versucht er in erster Linie durch Finanzierung von und Teilnahme an wissenschaftlichen Expeditionen und Entdeckungsreisen, vorzugsweise weit weg von Nordeuropa. Er ist immer makellos und wertvoll gekleidet, lässt allerdings manchmal ein wenig den dezenten Geschmack vermissen und übertreibt etwas. Er ist sehr freundlich, aber gleichzeitig bestimmend und ein wenig überheblich; außerdem schwingt eine für begüterte Amerikaner nicht untypische Mischung aus Jovialität und Besserwisserei in seinen Äußerungen mit. Obwohl er beinahe fließend Deutsch und Isländisch spricht, kultiviert er in beiden Sprachen einen wahrnehmbaren amerikanischen Akzent. Sobald er sich außerhalb seines angestammten Fachgebiets befindet, behilft er sich mit der Einstellung, dass Halbwissen und viel Geld eine solide Grundlage für den Weg zum Erfolg sind.

Hjalmar ist stets bemüht, sich den europäischen Sitten, so wie er sie sieht, anzupassen; so besteht er strikt auf der Einnahme des englischen Fünf-Uhr-Tees, ungeachtet seiner Umgebung und der Situation, obwohl er kein großer Teetrinker ist und die Feinheiten der verschiedenen Teesorten nicht auseinander halten kann. Nimmt er an Expeditionen teil, verfügt er in der Regel über die bestmögliche Ausrüstung und versucht, die besten und erfahrensten Kräfte anzuheuern. Seine neue Taktik besteht darin, die gefundenen Erkenntnisse nicht als die seinen auszugeben, aber deutlich werden zu lassen, dass sie ohne seine Hilfe und seine großzügige, selbstlose finanzielle Unterstützung nicht zustande gekommen wären.

 

Hjalmar R. Holand (Archäologe)

Größe: 179 cm, Gewicht: 82 kg, rechtshändig – 36 Jahre – Ruhm 6/6 – SG 2

Einkommen G

St 43, Ge 74, Gw 72, Ko 56, In 88, mT 29, Au 85, pA 98, Sb 90, Wk 65

15 LP, 21 AP – B 25 – SchB+1 – Sechster Sinn+1

Waffenfertigkeiten: Pistole+6 (1W6+2); Raufen+5 (1W6-3) – Abwehr+12, Ausweichen+12

Allgemeinbildung+11, Chemie+5, Fotografieren+8, Geschichte+7, Kunstverständnis+9, Linguistik+7, Reiten+14, Sprachbegabung+6

Sprechen/Schreiben: Deutsch+15/+15, Englisch+19/+19, Isländisch+15/+15 

Ausrüstung: Hjalmars Ausrüstung ist der jeweiligen Situation angemessen, in der er sich befindet; der Spielleiter kann davon ausgehen, dass er die bestmögliche Kleidung trägt und alle Ausrüstungsgegenstände, die ihm für eine Expedition notwendig erscheinen, mit sich führt.

Auf jeden Fall hat er eine wertvolle Taschenuhr, eine Lesebrille (weniger, weil er sie bräuchte, sondern um distinguiert auszusehen) und ein Monokel (je nach Situation wahlweise einsetzbar). Aus gleichem Grund trägt er eine Pfeife mit mehreren Tabaksorten, obwohl er eigentlich gar kein Raucher ist. In der Regel hat er die Entsprechung von 500 US-Dollar in Landeswährung in seiner Brieftasche, dazu Reiseführer, Stadtpläne und was immer er bei der Vorbereitung noch des Einkaufens für notwendig erachtete. Seine Devise lautet: Im Zweifelsfall lieber zuviel als zuwenig einkaufen!