“7 Day 7 wonder of Luxor”
(Abdul)
Diese Seite ist die bearbeitete Version einer Artikelreihe, die Rainer vor einigen Jahren auf seiner Homepage eingestellt hatte. Wir haben sie ein wenig überarbeitet, Tippfehler rausgeworfen, schöner formatiert, an die Konventionen der 1880-Seite angepasst und veraltete Links gelöscht.
Die Geschichte spielt in Luxor in den Jahren 2005 bis 2009 und ist wahr, allerdings etwas länglich. Glücklicherweise sind nur wenige Ägypter so (zumindest nach unserer Erfahrung).
Abdul der Betrüger hat uns zwar zu keinem Grab geführt (was aber gerade Ende des 19. Jahrhunderts bei geschäftstüchtigen Ägyptern sehr beliebt ist), doch ansonsten hatte er es faustdick hinter den Ohren.
Wir treffen Abdul im März 2005 bei einem Bummel durch Luxor. Es ist eine der vielen Begegnungen, wo man als Tourist halt angesprochen wird von Einheimischen. Manche sind einfach neugierig, andere freundlich, andere wiederum versprechen sich so ihre Vorteile – immerhin werden wir allein aufgrund der Tatsache, dass wir uns in Ägypten aufhalten, automatisch als ungemein reich eingestuft. So wie von Abdul.
Man kommt dann ins Gespräch, und wie das halt so ist, stellt sich plötzlich heraus, dass Abdul eine ganze Menge Leute kennt: billige Cafés, billige Hotels (definitiv billiger als unseres), billige Läden, jemanden mit Taxi, jemanden mit Felukka, einfach alles … man kennt das ja. Oh, wir sind gar nicht im Hotel, sondern in El Ezba. Bei Hassan Maki? Oh. (Mit dem legen wir uns ‘mal besser nicht an.) Gehen wir doch ins Café am Bahnhof, das ist schön und sehr touristenfreundlich. Nein? Wir wollen lieber in das kleine Café mit den grünen Toren (das erst seit 2007 auch offiziell einen Namen hat)? Oh, aber das Café nix gut. Großer Bescheißer, der Besitzer. Wie? Wir gehen da seit Jahren hin? Oh. Sind aber teurer als “sein” Café am Bahnhof, oder? Halb so teuer? Ist aber nicht normal, weil der Besitzer … Oh, der mag uns? Oh.
Ah… gut. Einkaufen dann. Was wir brauchen? Gewürze? Papyrus, Statuetten? Einer unserer hiesigen Freunde hat einen Laden für Souvenirs? Oh. Aber Gewürze? Ja, gern doch! Das und jenes, garantiert billig. Ist es auch, zumindest für unsere Verhältnisse. Für ägyptische ist es bestimmt teuer, und Abdul verdient gut dabei – aber egal, auf uns allein gestellt bekämen wir es nicht so billig, außer wir würden Hassan bemühen, aber der hat auch noch anderes zu tun, als sich Tag und Nacht um uns zu kümmern. Und ach ja, so ein paar Koraninschriften, auf Papyrus, wären nett. Na, so drei bis fünf, DIN-A-4. Vorkasse? Na, klar, Abdul gibt uns ja seine Visitenkarte und seine Handynummer (und fragt gleich an, ob er nicht mein Nokia 6610 haben könnte, weil so eines mit Kamera wollte er schon immer). Na, sage ich, vielleicht, wenn ich mir ein neues kaufe, schicke ich ihm das alte. Oder so. Inshallah. Scheint aber kein so guter Moslem zu sein, der Abdul, denn das findet er nicht so gut. Aber er schenkt mir brav einen Taschenrechner, weil ich seine Preise im Kopf nicht so schnell umrechnen kann. Und einen Umhängeriemen für mein Handy. Dafür trenne ich mich von der einen oder anderen Visitenkarte. Schadet ja nicht.
Wir verabreden uns ein paar Tage später wieder. Da ich ein netter Mensch bin, komme ich sogar mit ihm zum Café am Bahnhof. Es ist in der Tat deutlich teurer als das mit den grünen Toren, und als wir da sind, stelle ich fest, dass ich Abdul eingeladen habe. Na, sei’s drum, bei einer Rechnung von etwa 3 Euro werde ich das überleben (und ich nehme an, Abdul wird 10 bis 20 Prozent davon als Provision einstreichen). Die Gewürze hat er mit, ganz wunderbar, alles etwas mehr als gewünscht und trotzdem zum gleichen Preis – war ja auch Vorkasse. Ob ich denn, wenn ich das eigens für mich ausgewählte tolle Touristencafé nicht möge, ‘mal ein “richtiges” ägyptisches Kleincafé sehen wolle? Nicht so eines wie das mit den grünen Toren, dessen Besitzer böse Dinge tun würde (an dieser Stelle entpuppte sich Abduls Englisch als leider nicht ganz so gut, wie er es gerne hätte, aber die Geschichte hatte wohl etwas mit betrunken gemachten und in die Prostitution verkauften Touristinnen zu tun; ich habe aber auch nicht so genau zugehört). Also tappen wir durch die Innenstadt von Luxor, auf Schleichwegen und durch Nebenstraßen, denn wenn die Touristenpolizei Abdul sähe, wäre das nicht gut. Immer diese blöden Missverständnisse. Na schön, denke ich mir, hat er halt keine Fremdenführerlizenz. Kann passieren. Die ägyptische Touristenpolizei ist eher strikt.
Das Café (auch es hat keinen Namen) ist in der Tat ganz nett, fast so nett wie das mit den grünen Toren. Natürlich ist es teurer (wenn auch nicht ganz so teuer wie das am Bahnhof), denn von irgendwo her muss ja Abduls Provision kommen, also am besten aus meiner Tasche. Ich erfahre viele spannende neue Dinge: Abdul war beim Militär, und das war gar nicht gut für den armen Kerl. (Alle männlichen Ägypter müssen zum Militär, und kaum einer der ägyptischen Wehrpflichtigen hat großen Spaß dort; trotzdem bin ich angemessen beeindruckt.) Sein Bein (oder war’s das Knie?) ist dabeikaputt gegangen, und jetzt braucht er dringend ein teures Medikament vom Arzt; gut vorbereitet, zeigt er mir das Medikament, ganz auf Arabisch, mit Ausnahme des Preises, der steht da auf Englisch (er kann ja nicht wissen, dass ich arabische Zahlen lesen kann). Das sind 500 Pfund, die er dringend braucht. Habe ich aber nicht mehr, sage ich (stimmt zwar nicht, aber sei’s drum). Wir einigen uns darauf, dass ich ihm 300 Pfund (etwas über 40 Euro) leihe, die er mir am Tag vor unserem Abflug wiedergibt, zusammen mit den Koraninschriften. “Du bist ganz schön doof!”, sagt Alexandra, als ich ihr das berichte. “Das hast du gesehen, das Geld.”
Der Urlaub geht weiter, und am Tag vor der Abreise treffe ich Abdul, wieder alleine, da Alexandra ihn irgendwie nicht in ihr Herz geschlossen hat. Er sitzt schon im Café, als ich komme, in dem am Bahnhof, ganz oben, weit weg von allen störenden Augen. Schade, denke ich mir, ich wollte doch sehen, ob er noch humpelt, und wenn ja, welches Bein er nachzieht. Na, gut. Ob er denn sein Medikament bekommen habe, eröffne ich das Gespräch, was ihn etwas verwirrt, und es dauert ein wenig, bis ihm einfällt, um was es geht – schlecht vorbereitet, der Gute. Aber dann fällt ihm ein, dass es ihm schon viel besser geht. Und dann gibt er mit eine Tüte mit zwei großen Papprollen, wie man sie in Papyrusfabriken bekommt. Darin sind viele Koraninschriften auf Papyrus – und ich meine viele. Um genau zu sein, 3 in DIN-A-3 und etwa 10 in DIN-A-4. Die sich anschließende Diskussion erinnert ein wenig an die zwischen Indy und Sallah in Indiana Jones and the Last Crusade, wobei die Papyri die Rolle der Kamele einnehmen. Abdul ist ganz verwirrt. Hätte ich denn nicht so viele Papyri gewollt? Er hätte nicht mehr kaufen können, denn das Geld, das ich ihm gegeben hätte, hätte nur für so wenige gelangt. Langsam dämmert mir, dass die 300 Pfund für die dringenden Medikamente offiziell in die Papyri geflossen sind, und siehe da!, schon bald liegt eine “Quittung” der Papyrusfabrik über 550 Pfund (etwas über 75 Euro) auf dem Tisch. Als ich dann böse werde, bricht Abdul in gekonnte Panik aus und schwört auf den Koran (in sehr schnellem Arabisch, von dem ich natürlich kein Wort verstehe). Letztlich denke ich mir, dass ich die in Deutschland schon wieder los bekomme, und lasse ihn im Café sitzen. Die Alternative wäre in der Tat die Touristenpolizei, und irgendwie habe ich ein (zu) weiches Herz. Seitdem macht das geflügelte Wort von “Abdul dem Bescheißer” die Runde.
Etwas über ein Jahr später sind wir wieder in Luxor. Die Papyri habe ich, soweit ich sie nicht als Geschenke verteilt habe, tatsächlich fast alle verkauft (nur zwei der großen habe ich noch – möchte jemand…?). Mittlerweile habe ich ein Nokia 6600, und man kann sich denken, wer mein Nokia 6610 nicht bekommen hat (es wird in diesem Urlaub bei Ali, dem ältesten Sohn von Hassan Maki, landen). Und eines schönen Tages, als wir auf dem Weg zum Café mit den grünen Toren sind, siehe da – da steht Abdul vor uns, frisch mit Bart und mit seinem üblichen traurigen Gesichtsausdruck. Er schenkt jedem von uns einen Taschenkoran, und wir schleppen ihn mit in “unser” Café (und zahlen dank seiner Anwesenheit gleich mehr, als wir alleine zahlen würden, und ich meine das jetzt nicht auf die Gesamtsumme bezogen).
Abdul ist sehr traurig, da wir ihn ja so völlig vergessen hätten. Hätten wir denn kein DHL in Deutschland? Es wäre doch so einfach gewesen, ihm das Handy zu schicken – wo er doch jetzt keines mehr hat, da sein Sohn (wir wussten noch gar nicht, dass er einen hatte) es ins Wasser geworfen habe. Als Beweis zeigt er uns seine beiden SIM-Karten, die er in seinem Portemonnai aufbewahrt. Ach, das Handy… upps, völlig vergessen. Er schlägt vor, er könne mir Geld geben für mein 6600, und ich würde mir in Deutschland dann ein neues…? Schade. Aber Gewürze wären doch gut, oder? (Die Koraninschriften hat er sicherheitshalber vergessen, was ich auch ganz clever von ihm fand.) Keine Gewürze? Ehrlich nicht? Was denn dann? Er geht die ganze Palette seiner “Dienstleistungen” durch, und zehn Minuten später landen wir bei Visitenkarten, auf der Vorderseite in Englisch und auf der Rückseite in Arabisch bedruckt, 100 Stück für nur 100 Pfund. Das ist zwar für örtliche Verhältnisse teuer, aber in Deutschland ist so etwas kaum zu bekommen, also stimmen wir zu und geben jeder eine eigene Visitenkarte als Vorbild ab. Später kommen noch zwei Koranrezitations-CDs zu Preisen hinzu, für die wir sie in Deutschland nie bekommen würden. Wir verabreden uns ein paar Tage später im Café am Bahnhof, im obersten Stock, da Abdul dort in Ruhe sein Bier trinken kann. Sagte ich schon, dass er nicht gerade ein Vorzeigemoslem ist? Er hat zwar keine Handys mehr, aber trotzdem gibt er uns seine Visitenkarte: “7 Days 7 wonder of Luxor”, will heißen: mache alles, Hauptsache, es gibt Geld.
Am verabredeten Termin bin ich ein wenig (na, gut, eine halbe Stunde… aber was ist schon eine halbe Stunde in Ägypten…) zu spät, und Abdul ist nicht (mehr?) da. Auch kein Problem, wir haben ja noch eine Woche und sind öfter in der Bahnhofsstraße (das Café mit den grünen Toren ist ganz in der Nähe). Wir sehen Abdul aber trotzdem nicht mehr. Tragisch. Also schleppe ich mich zwei Tage vor unserem Rückflug in das Café am Bahnhof und schwenke Abduls Visitenkarte mit einem klassischen “Haben Sie diesen Mann gesehen?” Der Eigentümer meint, der würde später kommen, so in ein, zwei Stunden. Tut er aber nicht. Oh, sage ich, das ist aber nicht gut (was ich sogar gerade noch so auf Arabisch hin bekomme). Der Eigentümer guckt bedröppelt und ruft einen anderen Ägypter herbei, der sich als Mahmoud vorstellt und gut Deutsch spricht. Was Abdul uns denn angetan hätte, will er sofort wissen. Ich sage es ihm in groben Zügen. “Also nichts Illegales?”, will Mahmoud wissen. Ich frage ihn, ob er Visitenkarten oder Koran-CDs für illegal hält, aber das tut er nicht. Neugierig geworden, hake ich nach, und es stellt sich heraus, dass Abdul “gerade gestern” Touristen betrogen hätte, “und das ist nicht gut für uns” (also den Rest der vom Tourismus lebenden Bewohner des oberen Teils der Bahnhofsstraße). Mahmoud jedenfalls erklärt sich sofort und mit entschlossenem Gesichtsausdruck bereit, Abdul aufzuspüren, damit wir dann mit ihm zusammen zur Touristenpolizei gehen könnten. Und unser Geld bekämen wir auch wieder. Ich wäre ja schon mit der Ware zufrieden, sage ich, und für die Polizei hätte ich auch nicht so wirklich Zeit oder Lust. Wir vereinbaren, dass wir telephonieren.
Später am Abend klingelt das Telephon – und siehe da, es ist Abdul. Er ist recht hektisch und will wissen, was er mir denn getan habe, dass ich Mahmoud auf ihn gehetzt habe und was ich diesem für das Taxi bezahlt habe. Ich unterbreche ihn und leite das Gespräch in die richtigen Bahnen, nämlich zu unseren bestellten Waren und einem Treffpunkt zur Übergabe. Abdul unternimmt drei Anläufe, noch ein wenig zu jammern, aber nach dem dritten “When? And where?” versteht er dann, dass mir nicht wirklich danach ist. Wir machen einen Termin um 17 Uhr am nächsten Tag aus, in der Lobby eines Hotels in Bahnhofsnähe (anscheinend darf er nicht mehr ins Café).
Am nächsten Nachmittag, so gegen 15 Uhr, sitzen wir in der Fähre zum Ostufer, da sagt Alexandra: “Guck’ ‘mal, ist das nicht Abdul der Bescheißer?” Ich gehe auf eine kurze Reise durch das Schiff und siehe da!, er ist es. Freundlich winkend, möchte er mich auf das Oberdeck entführen, aber wenn Alexandra schon einmal auf dem gleichen Schiff ist, kann sie sich das auch gleich mit anhören. Abdul kommt mit und jammert ganz fürchterlich, dass der Mahmoud ein böser, BÖSER Mann sei, der mit dem Taxi bei ihm zu Hause aufgetaucht sei und seinem Vater mit der Touristenpolizei gedroht habe. Er habe die Nacht vorsichtshalber außerhalb geschlafen. Ich erkläre ihm, dass wir ihn gesucht, aber nicht gefunden hätten, weshalb wir fragen mussten. Ah, aber er war doch im Krankenhaus, wegen eines fiesen … Irgendwas am Hals (die Narbe ist auf jeden Fall neu, aber irgendwie vergisst er das Humpeln vom Vorjahr). Er unternimmt einen kurzen, aber erfolglosen Versuch, mir die 30 Pfund für die Telephonkarte vom Vorabend in Rechnung zu stellen – und außerdem wäre er jetzt extra mit der Fähre zum Westufer gefahren und hätte uns gesucht, aber leider unser Hotel nicht gefunden (was daran liegt, dass wir nicht in einem Hotel wohnen und er das weiß, aber sei’s drum). Er könne sich jetzt gar nicht mehr in der Bahnhofsstraße, seinem alten Stammgebiet sehen lassen, und das wäre wirklich nicht gut. Und dieser Mahmoud wäre wirklich kein guter Ägypter.
Wenn Abdul uns gesucht habe, habe er doch bestimmt auch die Waren dabei? Und siehe, er hat. Die Koran-CDs sind, ohne Preisaufschlag, von zwei zu drei mutiert, da sagt man nichts. Die Visitenkarten enthalten natürlich Fehler, und am Tag vor der Abreise lässt sich das nicht mehr direkt korrigieren. Abdul, sichtlich mitgenommen, verspricht händeringend, sie uns nachzuschicken. Wir würden ihm doch glauben, oder? Aber klar, sage ich, er ist ja unser Freund und will uns nur helfen, und wir haben ja seine Adresse und Mahmouds Handynummer. (Alexandra hingegen sagt, ich solle mich nicht darauf einlassen, sondern das Geld zurück fordern. Natürlich hätte Abdul “so viel Geld” nicht dabei. Und der Abstecher zur Touristenpolizei am Tag vor dem Abflug muss dann doch nicht sein. Geht ja nächstes Jahr auch noch.) Das mit Mahmoud, ein wirklich böser Mensch übrigens, lässt Abdul noch einmal sehr unruhig werden, und er will mehrfach wissen, was wir Mahmoud denn nun erzählen werden. Na, ja, sage ich, drei Mal, wir erzählen ihm, dass wir unsere Ware bekommen haben und alles in Ordnung ist – so mehr oder minder. Dann ist die Fähre auch schon da, und Abdul will uns unauffällig nach links lotsen, wo es wohl Cafés gibt, in denen er sich noch sehen lassen darf. Aber uns zieht es nach rechts, in Richtung Bahnhofsstraße und Café mit grünen Toren, und da darf der arme Abdul ja nicht mehr …
Unterwegs telephonieren wir noch einmal mit Mahmoud und teilen ihm mit, dass wir unsere Ware bekommen haben und alles in Ordnung ist. Wir verabreden uns noch mit Mahmoud fürs nächste Jahr, und am Tag darauf geht es nach Hause.
Und wieder vergeht ein Jahr. In dieser Zeit macht sich Abdul eher rar. Einmal klingelt das Telephon, und es ist Abduls Nummer – da muss er wohl sein Handy wieder gefunden haben (es war ja ins Wasser gefallen, wir erinnern uns). Natürlich gehe ich nicht dran, denn wie jeder gute Ägypter, der einen “reichen Freund” in Europa anruft, nutzt auch Abdul diesen Anruf ja nur dazu, mich dazu verleiten, ihn anzurufen – schließlich habe ich mehr Geld als er, und er hätte gern noch etwas davon. Da ich ja aber weiß, dass es Abdul ist, rufe ich auch nicht zurück. Ich weiß ja, was er will.
Zwei Monate später ruft Mahmoud an. Der ist aber kein richtiger Ägypter, denn ich gehe nicht nur dran, sondern er telephoniert gar auf seine Kosten mit mir. Es gibt ein wenig Smalltalk, und wir versprechen, im März wieder in Luxor zu sein.
Dann wird es März, und wir sind wieder in Ägypten, und siehe, Abdul setzt sich mit uns in Verbindung. Beim Bummeln durch die Bahnhofsstraße laufe ich ihm “aus Versehen” in die Arme. Na, Zufälle gibt’s … “Irgendwie” hat das noch nicht geklappt mit den Karten, weil es war zu teuer, sie zu schicken, und er hatte meine Adresse nicht, die ich ihm ein Jahr zuvor gegeben habe. Na, gut, kann ja passieren … Und ich hätte ihn ja auch ruhig mal anrufen können, jawohl, wo er doch extra angeklingelt hat, dass er einen Gesprächswunsch habe.
Er hat die Sachen jetzt natürlich nicht dabei, und so verabreden wir uns später noch einmal, im bekannten grünen Cafe, damit dann endlich die Übergabe erfolgen könne.
Zwei Tage säter treffen wir uns wieder, und Abdul möchte wissen, was er denn für uns tun könne. Ich sage, er möge uns doch bitte die korrigierten Karten geben. Ei, klar. Aber ob er denn sonst noch etwas …? Nein. Wirklich nicht? Nei-hein. Vielleicht Gewürze oder …? NEIN. So langsam dämmert es ihm. Ob es uns denn lieber wäre, wenn wir nichts mehr mit ihm zu tun hätten? Ah, gewonnen.
Da zieht unser Abdul eine ganz traurige Miene, steht auf, holt von hinter der Theke (anscheinend hat sich sein Ansehen in diesem Lokal gebessert) unsere Visitenkarten und drückt sie mir mit den Worten “Ging nicht neu drucken, war euer Fehler” in die Hand. Man erinnere sich – das sind die gleichen Karten, die schon lange fertig sind und die er nur deshalb nicht schicken konnte, weil er ja meine Adresse nicht hatte. Welch wundersame Welt.
Na, gut; wir hatten ohnehin nicht mehr damit gerechnet, die Karten ersetzt zu bekommen, und so sind wir bis heute im Besitz von jeweils 100 falsch gedruckten Visitenkarten, wie nachstehend abgebildet und freigegeben zur Fehlersuche (Alexandra meint, die arabische Rückseite sei in Ordnung).
Das Letzte hingegen, was wir von Abdul sehen, ist wie er, leicht vornübergebeugt und sicherlich immer noch mit todtraurig-leidenem Gesichtsausdruck (er hat ja so ein schweres Leben, wie erinnerlich) das Kaffeehaus verlässt. Er humpelt sogar wieder. Aber da kommt auch schon unsere Wasserpfeife, und es gibt Wichtigeres zu tun.
März 2008: Es zeigt sich kein Abdul, auch nicht in der Bahnhofsstraße. Wir vermissen ihn auch nicht. Ein ruhiger Urlaub. Mahmoud, der noch am 28.10.2007 eine SMS geschickt hatte, finden wir aber auch nicht.
März 2009: Beim Bummel durch die Bahnhofsstraße fragen wir uns, was wohl aus Abdul geworden sein mag. Keine Spur von ihm. In der Wohnung finden wir Ausdrucke von diversen Homepages, die sich mit Luxor beschftigen, unter anderem auch von meinen Artikeln. “Jetzt sieht jeder, was Abdul für ein Bescheißer ist”, sagt Alexandra. Fein.