Eine kurze Kulturgeschichte des Toilettenpapiers

Eine kurze Kulturgeschichte des Toilettenpapiers

“Mit dem Geld ist es wie mit dem Toilettenpapier. Wenn man es braucht, braucht man es dringend.”

(Upton Beall Sinclair)

 

Die Idee der Reinigung des menschlichen Hinterteils nach dem Toilettengang hat eine lange Geschichte und Tradition. Schon früh ist der Mensch auf die Hygiene bedacht und überlegt sich Methoden zur Reinigung.

Die früheste bekannte Methode ist die „bösen Hand”. Gemeint ist die linke Hand, die in vielen (insbesondere asiatischen) Kulturen zur Körperreinigung dient. Dies ist einer der Gründe, warum es Tradition ist, sich zur Begrüßung die rechte Hand zu reichen.

Doch schon bald setzt der Einsatz von Hilfsmitteln ein. Archäologische Funde im ältesten Salzbergwerk der Welt, dem Salzberg bei Hallstatt, lassen vermuten, dass Pestwurzen-Blätter in der Bronzezeit auch als Toilettenpapier verwendet wurden. Deshalb gibt es in Bayern noch immer die volkstümliche Bezeichnung „Arschwurzen“ für diese Pflanze. Auch andere Pflanzenblätter werden benutzt, in manchen Quellen ist von lebenden Hühnern die Rede. Wer es sich leisten, kann, benutzt alte Lumpen über Schwämme.

Die erste Erwähnung von Papier für diesen Zweck findet sich im China des 6. Jahrhunderts nach Christus. Der Gelehrte Yan Zhitui (531–591) schreibt im Jahr 589: „Ich würde es nie wagen, Papier mit Zitaten oder Kommentaren aus den Fünf Klassikern oder Namen von Weisen darauf für die Toilette zu verwenden.“ Im Jahr 851 schreibt ein Reisender: „Sie [die Chinesen] sind nicht sehr sorgfältig mit Sauberkeit, und sie waschen sich nicht mit Wasser, wenn sie ihr Geschäft erledigt haben, sondern wischen sich nur mit Papier ab.“ Für das frühe 14. Jahrhundert findet sich in Aufzeichnungen für den Raum der heutigen Provinz Zhejiang eine jährliche Produktion von 10 Millionen Packungen mit je 1.000 bis 10.000 Blatt Toilettenpapier. Der kaiserliche Hof in Nanjing verbraucht 1393 etwa 720.000 Blatt mit einer Größe von 2 auf 3 Fuß. Kaiser Hongwu und seine Familie verbrauchen in diesem Jahr 15.000 Blatt einer besonders weichen und parfümierten Toilettenpapiersorte.

In Europa ist aus dem Mittelalter die Verwendung von alten Lappen, Stoffresten, Wollbällchen oder auch Moos, Blättern, Heu und Stroh belegt, ab dem 16. Jahrhundert auch die von Abfall- und minderwertigem Papier. Ausgrabungen mittelalterlicher Latrinen, beispielsweise aus der Hansestadt Tartu (Estland), wo mehr als 3.200 als Toilettenpapier genutzte Textilreste aus mehreren Haushalten ausgewertet wurden, ergeben qualitative Unterschiede der als Toilettenpapier genutzten Textilien analog zu dem sozialen Status des zugehörigen Haushaltes. So bestehen die Mehrzahl der Textilreste aus wohlhabenden Haushalten aus in Streifen gerissenen, feinen und weichen Wollstoffen aus stark abgetragener (teils mit Seide verzierter) Alltagskleidung. Demgegenüber setzen sich die Textilreste aus sozial schlechter gestellten Haushalten aus eher groben, einfachen Stoffen zusammen, die wohl von der einfachen Alltagskleidung stammen. Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen beschreib 1669 in seiner Continuatio des Abentheuerlichen Simplicissimi, wie aus einem Hanfsamen nacheinander Kleidung, Windeln, Schreibpapier und Packpapier wird, bis der Bogen schließlich am Abort endet.

Die Nutzung von Papier steigt mit der Verbreitung von Zeitungen und dem Aufkommen der industriellen Papierherstellung im 19. Jahrhundert an. Mit der Verbreitung des Wasserklosetts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst in England wird allerdings spezielles Papier benötigt, das nicht zur Verstopfung der Abwasserleitungen führt. Und so produziert Joseph Gayetty 1857 in den USA das erste moderne, kommerziell erhältliche Papier, das in einer Fabrik speziell als Toilettenpapier hergestellt wird. Es besteht aus einzelnen Blättern in einer Schachtel und ist mit Aloe-Extrakten getränkt. Das perforierte Toilettenpapier auf Rollen hingegen stammt aus dem späten 19. Jahrhundert. Das Fachblatt Papier-Zeitung erwähnt 1879 in einem Bericht über gelochtes Rollenpapier für Verpackungszwecke, dass vielfach auch derartiges „Closetpapier“ angeboten werde.

Schon 1888 gehören zum vielfältigen Angebot der Eisenwerke Gaggenau neben perforiertem Toilettenpapier auch passende Halter („Closetclipse für Rollenpapier“). 1891 produziert das Unternehmen täglich 2000 Rollen gelochtes Closetpapier in seiner Papier-Perforier-Anstalt, der nach eigener Darstellung damals einzigen derartigen Einrichtung in Europa außerhalb von Großbritannien.

Es dauert noch bis 1928, bis Hans Klenk in Ludwigsburg die Toilettenpapierfabrik Hakle gründet. Zu dieser Zeit besteht eine Rolle aus 1.000 Blatt rauen Krepppapiers. Erst 1958 verbreitet sich im Westen Deutschlands – aus Amerika kommend – das weichere Tissue-Papier, das auf der Haut angenehmer ist. Zweilagiges Toilettenpapier muss noch bis 1972 warten, dreilagiges bis 1984.